Immer wieder begegnen wir Leuten, die an teils irrsinnigen Vorstellungen festhalten. Seien es Chemtrails, der Mondlandungs-Hoax oder Kreationismus. Doch warum halten so viele Menschen verkrampft an einer Vorstellung fest, die jeglicher Vernunft widerspricht und gegen die es eine wahre Überzahl an Beweisen gibt?
Einerseits ist es die Überzeugung das Richtige zu tun. Vom Gegenteil überzeugt zu werden, würde ja bedeuten, dass man einen Fehler gemacht hat. Andererseits spielt hier die menschliche Psychologie gross mit.
Anhänger der oben genannten Überzeugungen bilden eine Gruppe in der sie sich austauschen und ein intensives Wir-Gefühl erzeugen können. Jedoch leiden angehörige einer Gruppe unter dem Gruppen-Bias, d.h. sie bewerten Informationen die gegen ihre Gruppe sprechen als unwichtig oder gering und Informationen die für ihre Überzeugung sprechen als enorm wichtig. Dies ist der Drang nach Selbstbestätigung, der dazu führt, dass etablierte Meinungen nur noch verstärkt und nicht mehr hinterfragt werden.
Dies sind grundlegende psychologische Eigenschaften des Menschen, die in allen Gruppen und Regionen zu finden sind. Viele Menschen begnügen sich mit der Einstellung so wie so nicht alles wissen zu können und nehmen leicht eine Idee an, ohne diese zu hinterfragen. Es ist schliesslich immer einfacher an etwas zu glauben, das einem Hoffnung gibt, als an etwas, welches sie zerstört. Doch warum glauben viele auch an widersinnige Theorien?
Es ist die Angst vor dem Kontrollverlust! Unser Verstand sehnt sich scheinbar nach Kontrolle. Würden wir nicht durch Chemikalien, die die Regierung mit Linienmaschinen in die Luft bläst beeinflusst, oder gäbe es keine weltweite Propaganda über eine angebliche Mondlandung oder hätte Gott nicht die Welt und uns alle erschaffen, wäre unsere Existenz quasi ein Ergebnis des Zufalls. Es gäbe keine Instanz, die in irgendeiner Weise dafür verantwortlich wäre oder jemand den man zur Rechenschaft ziehen könnte wenn Unrecht geschieht. Niemand hätte die Kontrolle!
Und dies ist es, was den Leuten unterbewusst Angst macht. Ist unser Leben das Produkt aus unzähligen Faktoren, die niemand in ihrer Gesamtheit auffassen kann, entzieht sich uns damit die Kontrolle über unser Leben. Ein Kontrollverlust im normalen Leben – nehmen wir z.B. eine Autofahrt – führt wahrscheinlich zum Tode.
Warum sonst glauben viele Leute an ihr Horoskop, fassen Holz an wenn sie über Unglück reden, oder gehen jeden Sonntag in die Kirche? Weil sie sich nach Sicherheit sehnen und glauben wollen, dass irgendetwas ihr Leben steuert, es kontrolliert. Dies ist eine psychologische Mechanik des Menschlichen Verstandes, die dazu führt, dass wir leicht Theorien annehmen, die uns irgendeine Art der Kontrolle und damit Sicherheit vorgaukelt.
Doch woher kommt diese Angst vor dem Kontrollverlust? In der Frühzeit mussten Menschen die Kontrolle über ihre Jagt haben, sie mussten die Kontrolle über ihre Umwelt haben und wissen wo es wann Nahrung gab und wo es wann gefährlich wurde. Die Kontrolle bedeutete Leben, deren Verlust der Tod. So ist dieser Drang nach Kontrolle nach 400 Generationen in unserem tiefsten Bewusstsein verwurzelt.
Dieses psychologische Ergebnis unserer Evolution ist in jeder Gesellschaft zu beobachten: nämlich als der Glaube. Neben den herkömmlichen Religionen, die den Menschen Hoffnung geben, klammern sich viele auch an andere absurde oder weltfremde Selbsttäuschungen, weil diese ihnen den Glauben einer Kontrolle geben, die irgendeine Instanz auf ihr Leben ausübt. Auch bei der konservativen Einstellung Alteingesessener, die auf keinen Fall irgendetwas verändern wollen, weil sich das Alte ja bewährt hat und man riskieren würde, die Kontrolle über gewohnte Abläufe zu verlieren, lässt sich genau das gleiche Denkmuster beobachten.
Die Angst vor dem Kontrollverlust, und damit der Glaube, hat der Menschheit in der Frühzeit geholfen. Doch in einer Zeit des Rationalismus und der Aufklärung erkennen wir, dass dieser kindliche Drang wie unser Steissbein, Schluckauf oder Körperbehaarung ein Überbleibsel unserer evolutionären Entwicklung ist.
Nur mit Vernunft, Objektivität und rationalem Denken können wir diese Kurzsichtigkeit hinterfragen und so unseren Teil zu einer sicheren, modernen und mündigen Gesellschaft beitragen.
Unser Glaube, ob Aberglaube, Verschwörungstheorie oder Religion, basiert einzig und allein auf unserer Angst. Der Angst in einem chaotischen Universum die Kontrolle und damit unser Leben zu verlieren.
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Weg des Lichts (Freitag, 08 Januar 2016 13:49)
Basiert der Glaube denn nicht auch auf dem Vertrauen, dass die Menschen nicht nur ihrem Glauben selbst gegenüber erbringen, sondern auch der Gesellschaft in der sie leben?
Individuen einer Gesellschaft müssen sich gegenseitig Vertrauen können damit eine gesellschaftliche Struktur funktioniert. Würde jeder, alles was alle anderen machen kontrollieren, bliebe keine Zeit für die eigenen Fähigkeiten und damit für den Beitrag zur Allgemeinheit. Die Gesellschaft würde zusammenbrechen.
Die Individuen müssen sich untereinander Vertrauen können. Diese Grundfähigkeit des "blinden Vertrauens" ist also die Voraussetzung einer funktionierenden Gesellschaft. Genau so manifestiert sich diese Fähigkeit im Glauben, indem Individuen einer Idee oder Hypothese blind Vertrauen ohne diese zu kontrollieren.
Ein Verlust des Vertrauens, also des Glaubens in eine beliebige Idee oder Weltanschauung ist also bewusst wie unterbewusst gleichbedeutend mit dem Vertrauensverlust in die Gesellschaft. Die Konsequenz daraus wäre ein Ausschluss oder gar der ganzheitliche Kollaps dieser, wodurch sich der Unwille vieler Menschen, einen unsinnigen Glauben aufzugeben, erklären lässt.
Licht blendet (Freitag, 08 Januar 2016 22:13)
Sehr interessanter Ansatz und ich würde der Aussage grossenteils zustimmen.
Nur heisst Vertrauen nicht, dass man "blind" Allem vertrauen muss. So schafft man Lücken, die Leute ausnützen können. Es gibt Dinge im Leben, bei denen es sich lohnt, lieber nochmals kritisch die Sachlage zu hinterfragen.
Bei einem Joghurt lese ich auch keine Studien über die Verträglichkeit der Inhaltsstoffe, bevor ich mich für den Kauf entscheide. Wenn ich aber beispielsweise einen Arbeitsvertrag unterzeichne oder der Hausarzt eine Diagnose meiner Krankheit stellt, dann ist es mir das Wert, dass ich genauer hinschaue und mir überlege, ob ich damit einverstanden bin. Zumindest wäre man bei Ungereimtheiten kritisch und würde nachfragen.
Angenommen der Hausarzt würde einem Tabletten gegen Kopfschmerzen geben, nachdem man schon seit Wochen Probleme mit der Verdauung hat. Würdest du nun auf das Urteil des Arztes vertrauen (er müsste es ja eigentlich wissen), oder würdest du es hinterfragen?
Ich verstehe, dass es unmöglich ist, dass man über alles "Bescheid" weiss und immer 100% richtige Entscheidungen trifft und dass es doch in vielerlei Hinsicht auf blindes Vertrauen resp. guten Glauben hinausläuft, doch was spricht dagegen sich eine eigene Meinung über ein Thema zu machen.
Ich gebe dir Recht, dass ein gewisses Grund-Vertrauen da sein muss, damit eine Gesellschaft funktionieren kann, aber heisst das auch, dass ich alles bedingungslos glauben muss? Und warum lassen sich Leute von ihrem Glauben nicht abbringen, auch wenn alle Argumente gegen diesen sprechen? Was ist mit Verschwörungs-Theoretiker, die in allen Spuren unserer Gesellschaft, auf die wir vertrauen, eine teuflisches System sehen?
Würden wir bedingungslos allem um uns herum blind vertrauen, hätten wir sehr viele Probleme mehr auf diesem Planeten... nur schon darum, da niemand unfehlbar ist und ein Vertrauen auch auf gegenseitige Kontrolle basieren kann. Bei den wirklich wichtigen und kritischen Dingen im Leben, war Kontrolle schon immer besser, als das blinde Vertrauen.